Die Konstruktion des Reetdaches

Wie ein Reetdach auf Feuchtigkeit reagiert, hängt wesentlich vom Dachaufbau ab. Heute wird zwischen der belüfteten Konstruktion und der nicht belüfteten Konstruktion unterschieden. Speziell beim Reetdach finden wir die alten Bezeichnungen Kaltdach (belüftete Konstruktion) und Warmdach (nicht belüftete Konstruktion) sehr zutreffend und verwenden diese Begriffe nachfolgend.

Das Reetdach als Kaltdach

Das klassische Reetdach ist ein Kaltdach: Das Dachgeschoss ist unausgebaut, an der Traufe liegt das Reet lediglich auf der Mauerwerkskante oder dem Kniepbrett und an den Walmseiten befindet sich unterhalb des Firstes jeweils eine Öffnung (Eulenloch bzw. Uhlenflucht). Im Dachgeschoß ist es sehr zugig. Das hat zur Folge, dass das Reetdach sehr trocken ist. Der Regen dringt ca. 5-6 cm in die äußere Dachschicht ein, kann jedoch schnell wieder abtrocknen. Auch bei ausgebautem Dachgeschoß kann das Reetdach als Kaltdach ausgebildet werden. Dazu bedarf es einer zweischaligen Konstruktion, deren Schalen durch eine ventilierte Luftschicht thermisch voneinander getrennt sind. Die Innenschale hat einen wärmegedämmten Aufbau (i.d.R. Zwischensparrendämmung). Die Außenschale ist das Reetdach. Dazwischen befindet sich eine Luftschicht von 6-8 cm, durch die ein turbulenter Luftstrom zieht. Diese Ventilation ist nur gegeben, wenn die Luft an der Traufe ins Dach hineinziehen und im First abziehen kann. Die Zuluft an der Traufe ist i.d.R. bereits durch die Durchlässigkeit der Reettraufe gegeben. Wenn das Reet jedoch sehr fein ist, was eine höhere Dampfdichtigkeit zur Folge hat, sind zusätzliche Lüftungsschlitze im Unterschlag bzw. im Mauerwerk empfehlenswert. Ist ein hinterlüftetes Mauerwerk vorhanden, dann sollte die Mauerwerkshinterlüftung in die Hinterlüftung des Reetdaches übergehen. Im Firstbereich wird die Abführung der Luft durch eine Querlüftung im Spitzboden (zwischen den offenen Giebeldreiecken) oder durch Dachlüfter gewährleistet. Unterhalb und oberhalb von Gauben sollte durch Luftverbindungen zwischen den Sparrenfeldern dafür gesorgt werden, dass auch hier keine stehenden Luftschichten entstehen. 
Die meisten Bauschäden entstehen durch eine nicht ausreichende Zu- und Abluft bei einer hinterlüfteten Konstruktion. Dies entspricht nämlich nicht mehr einem Kaltdach, sondern einem Warmdach mit den im Folgenden beschriebenen Konsequenzen.

Das Reetdach als Warmdach

Wenn ein Reetdach keine Hinterlüftung hat oder nur eine stehende, nicht ventilierende Luftschicht zwischen Reet und Unterkonstruktion aufweist, dann stellt es ein Warmdach dar. Die Reetdachschicht, die bei Eindeckung i.d.R. 35 cm dick ist, wird mit zur Wärmedämmung herangezogen. Das Problem dabei ist jedoch, dass es für die Reetschicht keine stabilen Werte für die Dampfdurchlässigkeit und die Wärmeleitfähigkeit gibt. Im trockenen Zustand kann man von einer Dampfdiffusionswiderstandszahl µ von 2-5 W und von einer Wärmeleitfähigkeit von ? = 0,04 – 0,073 W/ mK ausgehen. Bei und nach einem Regenguss sind jedoch die äußersten 5-6 cm des Reetdaches nass, was zur Folge hat, dass an dieser Stelle das Reetdach nahezu dicht ist. Daher ist bei einem Verzicht auf eine ventilierte Hinterlüftung an der Innenseite des Dachaufbaus eine Dampfsperre vorzusehen. Fehlt diese bei dem Reet-Warmdach oder ist sie beschädigt, dann kondensiert bei Dampfdruck die Feuchtigkeit an den äußeren 5 cm des beregneten Reetdaches. Im Verlauf der Monate November bis März dringt dann die Feuchtigkeit immer tiefer in das Dach ein und das Reetdach wird im Winter zumindest auf der Nordseite nicht mehr trocken. Wenn dieses Problem nicht rechtzeitig erkannt und Abhilfe geleistet wird, dann kann das Dach an der Nordseite bereits nach etwas über 10 Jahren stark beschädigt sein. Untersuchungen in den Niederlanden zeigen, dass ca. 90% aller Fälle von drastisch vorzeitiger Alterung auf Fehler bei der Unterkonstruktion der Reetdächer zurückzuführen sind. 
Wesentlich für die Lebensdauer eines Reetdachs als Warmdach, ist eine funktionstüchtige Dampfsperre. In der Praxis hat es sich z.B. durch das Vorhandensein von Geschossböden und Trennwänden als sehr schwierig erwiesen, eine Dampfsperre wirklich dampfdicht zu installieren. Daher sollte hier mit besonderer Sorgfalt gearbeitet werden.
Vorteile beim Brandverhalten
Der wesentliche Vorteil des Warmdaches ohne Luftschicht ist das deutlich bessere Brandverhalten gegenüber dem turbulent hinterlüftetem Kaltdach. Beim Brandversuch der Fachhochschule Lübeck wurden in der Dachkonstruktion unter dem ohne Luftschicht geschraubtem Reetdach lediglich 18°C gemessen. Im hinterlüfteten Bereich wurden 800°C mehr gemessen. In den Niederlanden gelten daher für die Dächer, die direkt auf eine Platte geschraubt werden, die gleichen Grenzabstände wie für Hartdächer. Da beim Warmdach die Trocknung an der Innenseite nicht möglich ist, ist neben der Dampfsperre äußerste Sorgfalt bei der Eindeckung des Daches notwendig. Das Reet muss unbedingt trocken aufgebracht werden.