Ismet Akbal (40) baut aus Reet von Hiss Rohrblätter für Musikinstrumente.

Der Klangmagier für kurdische Ensembles
„Sie klingen gut. Und das gefällt mir“, sagt Ismet Akbal (40) über die Schilfrohre von Hiss Reet. Der kurdische Musiker, der im Hauptberuf als Maschinentechniker arbeitet, baut in seiner Freizeit aus Reet Mundstücke für die traditionellen Rohrblattinstrumente Duduk und Mey. Mit diesen oboenähnlichen Instrumenten ist der aus der Stadt Mus/Osttürkei stammende Wahlberliner aufgewachsen: „Mein Vater Mehmet war Dudukspieler auf Hochzeiten. Von ihm habe ich das Bauen der Mundstücke gelernt. Die Holzblasinstrumente kaufe ich in der Türkei, wo sie als Mey bekannt sind, oder in Armenien, wo sie Duduk heißen. Die Mundstücke verschenke ich dann an Musikerfreunde und benutze sie auch selbst.“ Für den Klang spielt das Klima eine entscheidende Rolle Vor fünf Jahren hatte Ismet Akbal, der neben Duduk und Mey auch Schalmei (Holztrompete) spielt, erste Mundstücke angefertigt: „Das Reet hatte ich zunächst aus der Türkei bezogen. Aber das hatte einen entscheidenden Nachteil: Das Material musste sich immer erst in das deutsche Klima einklingen, also zwei bis drei Tage akklimatisieren. Das war mir zu lange.“ Also setzte er sich an seinen PC und suchte Alternativen: „So stieß ich 2016 auf Hiss Reet. Inhaber Tom Hiss stellte mir ein paar Bündel Reet mit meinem Wunschdurchmesser von 2 Zentimetern zur Verfügung und bekam im Austausch eine wunderschöne Duduk. Ja, das war ein kleiner Deal.“ Rohrblätter sind sein Klangbeitrag zum Unesco-Weltkulturerbe Mittlerweile sind seine Mundstücke in ganz Deutschland bekannt und werden von Musiker zu Musiker wegen ihrer einzigartigen Klangeigenschaften weiterempfohlen. Ismet Akbal ist in der kurdischen Musikszene zu einer Art Klangmagier avanciert: „Noch bin ich der einzige, der diese Artikel fertigt. Erst seit Kurzem versucht sich ein weiterer Kollege in Köln daran.“ Kurdische und türkische Musikensembles haben nämlich ein Problem: „Duduks gibt es hierzulande nicht in Musikgeschäften zu kaufen, auch die Mundstücke sind nicht erhältlich.“ Und das obwohl die Duduk-Musik seit 2005 zum immateriellen Unesco-Erbe der Menschheit gehört. Film ab für Dudukmelodien Die Nachfrage nach Duduks wächst auch in Deutschland ständig: „Und das nicht nur durch die Gruppen, mit denen meine Musikerkollegen und ich in Bars und bei Hochzeiten auftreten, sondern auch durch Filmmusiken.“ Bekannt ist der Spielfilm Ronin mit Robert de Niro, in dem die Duduk eine wichtige Klangrolle spielt – wie in vielen Filmen, deren Schauplatz der nahe Osten ist. „Ich komponiere auch Duduk-Musik für Dokumentarfilme“, verrät Ismet Akbal, der gern einmal mit einem guten Orchester auf einer dunkel gehaltenen Bühne im Spotlicht stehen und Filmmusiken spielen möchte. Schälen, schleifen, biegen – guter Klang erfordert Geduld Was der Zuhörer beim Auftritt nicht ahnt: Jedes Duduk-Mundstück bedeutet zeitraubende Handarbeit. „Für ein neues Mundstück brauche ich mehrere Stunden. An Werkzeug benötige ich nur ein Cuttermesser und einen Wassertopf zum Weichkochen des Rohrblatts. Das Rohr muss ich mehrfach kochen, immer wieder schälen, bis es nur noch 2 Millimeter stark ist. Dann drücke ich es seitlich und lasse es einen Tag in einem Formhalter trocknen. Schließlich muss es geschliffen werden.“ Akbar genießt die Feinarbeit: „Schilf ist eine sehr gesunde Pflanze, ohne Chemie. Das finde ich gut.“ So kann ihm auch sein jüngster Sohn Miran (3) beim Säubern der Instrumente helfen. „Ein Mundstück“, so der Musiker, „hält bei guter Pflege übrigens 10 bis 15 Jahre. Nach jedem Auftritt spüle ich das Rohrblatt gut mit Wasser aus und schmiere es mit einem Spezialöl ab.“ Mit seinen musikalischen Einsätzen möchte Ismet Akbar auch seinem großen Traum näherkommen: „Ein Haus für die Familie bauen. Natürlich mit Reetdach.“ Wer Ismet Akbar für einen Auftritt mit der Duduk, Mey oder Schalmei buchen möchte, kann ihn unter Tel. 0177/6821707 oder ismetakbal@web.de buchen. Wechselnde Ensemblekombinationen sind möglich. INFOKASTEN Die Duduk – ein Instrument mit Geschichte Die Duduk gilt als armenisches Nationalinstrument, besteht meist aus Aprikosenrohr mit einem Schilfblatt und ist daher auch als „Aprikosenrohr“ bekannt. Sie zählt zu den ältesten Instrumenten der Welt und erklang schon in der Zeit des armenischen Königs Tigranes (95-55 vor Christus). Heute sind Duduks vom Balkan bis Ostasien und zunehmend auch in Deutschland verbreitet. Sie sind 25 bis 40 Zentimeter lang, hinzu kommt das Rohrblatt (Mundstück) mit noch einmal 12-13 Zentimetern. Vorn weisen sie 7-8 Grifflöcher auf, hinten ein Daumenloch. Sie werden meist mit Zirkularatmung gespielt. Duduks klingen relativ tief und samtig, ähnlich wie eine Klarinette in tiefer Lage. Die Mundstücke wurden früher aus Schilfrohrabschnitten gefertigt, die meist vom Ufer des Aras stammten. Ismet Akbar erstellt sie heute in verschiedenen Größen – passend für kürzere und längere „Aprikosenrohre.“ Das Wissen um das Dudukspiel wird traditionell von Generation zu Generation weitergegeben. In deutschen Musikschulen gibt es dieses Fach nicht, während in Armenien noch 2005 in 165 Musikschulen Dudukunterricht angeboten wurde. Klangbeispiel Duduk:https://www.youtube.com/watch?v=BmC9I7uVwwcDiese Pressemitteilung mit Fotolinks downloaden...
Mit selbstgebauten Holzzylindern bringt Ismet Akbal ein Rohrblatt in die typische flache Form.
Beim Querschnitt des Mundstücks kommt es auf den Millimeter an. Kleinste Abweichungen können sich auf den Klang auswirken.
Mit einem Cutter schält Ismet Akbal das Rohrblatt aus Schilf mehrfach präzise ab.
Das Schilfrohr kocht Ismet Akbal mehrfach in einem Haushaltstopf auf, damit es weiß und biegsam wird.
Zum Schluss wird das Reet-Mundstück auf die Duduk gesteckt. Dann verschwindet die „Werkstatt“ wieder im Schuhkarton.